WGT-Vorstandsmitglied Gerti Rohrmoser hat beim Festgottesdienst anlässlich 70 Jahre Ökumenischer Weltgebetstag der Frauen in Österreich am 17. September eine Ansprache gehalten, in der sie auf die Besonderheiten der Bewegung eingeht. Sie hat sehr bewegende Worte gefunden:
Wenn Sie an den WGT denken: Was fällt Ihnen dann ein?
Wahrscheinlich zuallererst einmal der ganz spezielle Gottesdienst, der in jedem Jahr von Frauen aus einem anderen Land vorbereitet wird, um dann am 1. Freitag im März rund um den Erdball gefeiert zu werden.
Ja, und dann sind da natürlich die Projekte, die dank der Kollekte, die jedes Jahr gesammelt wird, unterstützt werden können. Und die ebenfalls überall auf der Welt Menschen, denen es nicht so gut geht wie uns, Unterstützung bieten. Und das nicht nur materiell, sondern oft eröffnet ein relativ kleiner Betrag für jemanden eine ganz neue Perspektive bietet Hilfe zur Selbsthilfe und erzeugt neue Kraft, Mut und Selbstbewusstsein und eröffnet Wege aus einer scheinbar ausweglosen, verzweifelten Lage. Und wir sollten auch nicht vergessen, was es ausmacht zu wissen, dass da ganz viele sind, die an einen denken, Augen und Herz nicht vor der Not verschließen, die mit und für einen beten, es aber damit auch nicht genug sein lassen, sondern auch noch mit ihrem Beitrag zur Kollekte helfen, um gutes Leben für alle möglich zu machen.
Aber der WGT ist noch soviel mehr!
Nach dem Gottesdienst ist vor dem Gottesdienst und kaum ist die Kollekte des heurigen Weltgebetstages gezählt und an die Projekte verteilt, beginnt die Vorbereitung für den nächsten.
Sehnlichst wird der Text aus dem neuen Land erwartet, wir kennen schon das Motto, aber was wird sich dahinter verbergen? Ist die Ur-Fassung in New-York, der WGT-Zentrale ins Englische übersetzt und in die Regionen verschickt, beginnen schon die WGT-Teams in den einzelnen Ländern mit der Übersetzung in die Landessprache.
Eine Weile durfte ich in Österreich diesem Team angehören und ich kann Ihnen sagen, es ist eine große, eine schwierige Aufgabe, bei der die Frauen aus den unterschiedlichen Konfessionen manchmal lange um einzelne Wörter ringen. Denn es ist die Aufgabe der Übersetzerinnen mit dem Text, die Anliegen der Frauen, die ihn erstellt haben – mit ihren Eigenheiten im Glauben und ihren Traditionen – zu respektieren und sichtbar zu halten. Gleichzeitig die Liturgien so zu formulieren, dass sie für unsere Frauen verständlich und begreifbar sind. Durch die Übersetzung wird eine Verbindung hergestellt zwischen Schenkenden und Beschenkten und wenn sie besonders gut gelingt, dann entsteht eine Art freundschaftliche Intimität zwischen beiden, das ist das Beste, was wir erreichen können. Darum war diese Arbeit für mich auch die schönste und wertvollste, die ich im Rahmen meiner WGT-Arbeit leisten durfte.
Danach beginnen die Runden an Gruppennachmittagen und Abenden wo Land und Gebetsordnung vorgestellt werden. Wo man sich in die biblischen Texte, die sie beinhaltet einarbeitet, um die Mentalität, die spezifischen Problemstellungen und den Umgang damit zu verstehen. Das Highlight für viele Gruppen, die zum Teil schon seit Jahrzehnten zusammenarbeiten und sich jedes Jahr aufs Neue darauf freuen, ist die gestalterische Vorbereitung des Gottes-dienstes. Und vielerorts wird er jedes Jahr ein großes Fest.
Kern der Arbeit ist immer das ökumenische Miteinander. Natürlich gibt es auch zwischen uns große Unterschiede, in dem wie wir den christlichen Glauben auslegen und im Alltag leben. Aber theologische und dogmatische Unterschiede spielen nicht die Hauptrolle, sie sind kein Hindernis, um miteinander zu beten und zu arbeiten und Positives zu bewirken. Wir sind stolz auf die Verbundenheit in der Vielfalt, seit mittlerweile 135 Jahren und in mittlerweile 170 Ländern der Welt. Längst ist das „christliche“ Abendland nicht mehr das Zentrum christlichen Glaubens. Während bei uns die Kirchen schrumpfen blühen in anderen Teilen der Welt christliche Glaubensgemeinschaften auf. Wie man dort Gottes Wort interpretiert und den christlichen Glauben lebt, unterscheidet sich vielfach sehr deutlich von unseren Traditionen. Sie können sehr viel politischer oder aber fundamentalistischer sein, sind uns oft sehr fremd und manchmal unbequem. Der WGT versucht auch hier das Miteinander. Informiert zu beten, heißt auch den Glauben der anderen zu verstehen, zu achten und stehen zu lassen. Unsere europäische Wahrheit ist auch im Glauben nicht die einzige. Es gibt viele Wege zu und mit Gott. Das zu verstehen, nicht nur mit dem Kopf sondern auch mit dem Herzen lehr uns Demut.
Und zum Schluss möchte ich Ihnen noch eine Sache mitgeben, die mir persönlich und als Leiterin einer Frauenorganisation besonders wichtig ist. Wir wissen, dass ein Gottesdienst im Jahr nicht die Welt rettet. Der WGT macht keine Schlagzeilen, sitzt nicht in den Beraterstäben von Regierungen oder der UNO. Wir machen keine Millionenkampagnen in den Medien oder führen werbewirksamen Aktionismus an. Unser Versprechen ist nicht, das Unrecht und Elend dieser Welt im Handstreich hinwegzufegen. Der WGT ist eine Politik ungezählter kleiner Schritte, die unbeirrbar in die richtige Richtung, nämlich ein Wahrmachen dessen, was wir Gottes neue Welt nennen, gehen und so vielleicht sehr sanft aber auch sehr nachhaltig zur Gesundung der Welt beitragen können. Ich bin sehr stolz, dass die Frauen sich in unserer Zeit, wo scheinbar nur noch alles, was riesengroß ist, laut und grob Wirkung zeigt, sich nicht beirren lassen und diesen Weg des aufmerksamen, mitfühlenden Miteinanders bewahrt haben und von niemandem aus der Hand nehmen lassen.